Fotos auf diesen Seiten Kontakt Impressum / Rechtliches Sitemap

Inhalt 'Von Stettin nach Stepenitz'

Leseprobe 2 / 2

Leseprobe 2 / 1

Von Stettin nach Stepenitz

Eine Erzählung aus der Winterzeit in Stepenitz, dem kleinen Ort in Westpommern:

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

Das Eisfischen vor Stepenitz


Es muss früher wohl kältere Winter gegeben haben als jetzt in den siebziger Jahren. Man kann manches aus der Erinnerung heraus leicht mit einem Glorienschein versehen, kann Hässliches verdrängen und Schönes noch heller leuchten lassen, aber dickes Eis ist und bleibt dickes Eis. Vielleicht kann das Bild von damals mehr Sonne gehabt haben, aber eiskalt war es ganz gewiss.
Wenn es soweit war, dass die Stepenitzer Bucht zufror, ließen wir das Schlittschuhlaufen in den Lankenwiesen sein und versammelten uns auf der Eisfläche des Papenwassers.
Dort gab es meistens auch sehr viel Interessantes zu sehen, den Eisbrecher „Stepenitz“ zum Beispiel. Es sah schon gewaltig aus, wenn er mit „Volldampf voraus“ seinen Bug ein ganzes Stück hoch über das Eis schob, das dann krachend unter ihm zerbarst und sich in dicken Schollen zur Seite türmte. Ich meine, dass es in manchen Kälteperioden nicht einmal unser Eisbrecher schaffte, die Fahrrinne anderntags wieder aufzureißen.
Dann aber war auch die Zeit gekommen, wo unsere Fischer gemeinsam mit dem großen Garn das spezielle Fischen auf dem Eis ausübten. Im Abstand von 100 bis 200 Metern etwa wurden mit der Eisaxt zunächst zwei große Löcher ins Eis gehauen und dazwischen beidseitig im Halbrund in geringer Entfernung weitere kleinere. Sorgfältig legte man die heraus gehackten Eisblöcke daneben, um die Löcher zu kennzeichnen, damit niemand hineingleiten konnte.
Dann wurde das riesige Netz ins erste Loch gesenkt, und das Fischen begann. Mit langen Holzstangen und Gabelklemmen bugsierte man beidseitig des großen Loches das Netz unter der Eisfläche von Loch zu Loch, ein mühsames Unterfangen wahrlich. Dass es dabei ein großes Hallo mit lauten Rufen wie „He“ und „Ho“ und „Hier“ und „Halt“ gab, gehörte dazu.
Die Korken, die am oberen Netzrand befestigt waren, hielten es unmittelbar unter der Eisfläche fest, während das Blei am unteren Rande es straffte, damit möglichst viele Fische gefangen waren und nicht mehr ausweichen konnten.
Hatte man dann endlich das zweite große Loch erreicht, konnte der Fang hochgezogen werden. Dass es dabei für die Fischer „Eisbeine“ und blau gefrorene Hände gab, ist begreiflich. Ich habe oft dabeigestanden und zugeschaut, wie die blanken, zappelnden, großen und kleinen Fischlein dann in die Holzbottiche purzelten. die auf Schlittenkufen bereitstanden und alsbald abtransportiert wurden.
Dann waren da noch die sogenannten Aalstecher. Sie kamen mit dem langen Aalspeer herzu, machten ein kreisrundes Loch ins dicke Eis, legten den Block - versteht sich - daneben, und dann ging das Stechen vor sich. Zuerst führte man den langschäftigen Speer senkrecht hinunter, um ihn dann langsam - immerfort zustechend - kreisförmig zu bewegen. Wenn einer Glück hatte, konnten wohl beim Herausziehen ein halbes Dutzend Aale daran zappeln.
Dass nach dieser frostigen Arbeit zu Hause dann der Rum-Grog eine Wohltat war, ist erklärlich. „Eisbrecher“ nannte man ein Glas Rum mit zwei Stück Würfelzucker darin, der bei Fischern und Seeleuten ohnehin das Nationalgetränk war .....

---------------------------------------------------------------------------------------------------------
© Elfriede Zachen, Bad Oldesloe 1980 – Alle Rechte vorbehalten.


Mit diesen Schaltflächen gelangen Sie zurück zur ...
Hauptseite: Die Bücher
Unterseite: Von Stettin nach Stepenitz

oder zu weiteren Leseproben des Buches "Von Stettin nach Stepenitz":
Inhalt 'Von Stettin nach Stepenitz'
Leseprobe 2 / 2
Leseprobe 2 / 3